30.04.2024

Wie viel KI braucht der Arbeitsmarkt?

Beim ESB Wirtschaftsforum diskutieren Expertinnen und Experten über die Folgen Künstlicher Intelligenz für den Arbeitsmarkt.

Daniel Schneider ©

Wie viel KI verträgt der Arbeitsmarkt? Die Expertinnen und Experten beim ESB Wirtschaftsforum sahen Künstliche Intelligenz als sinnvolle Unterstützung im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

Mensch vs. KI bedeutet nicht Konkurrenz, sondern Kooperation. In diesem Punkt waren sich die fünf Referentinnen und Referenten des 28. ESB Wirtschaftsforums einig. Andere Fragen führten bei der öffentlichen Podiumsdiskussion, die Studierende der ESB Business School der Hochschule Reutlingen alljährlich organisieren, zu durchaus kontroversen Diskussionen. Bietet Künstliche Intelligenz die Lösung für den Fachkräftemangel? Wie gut ist Deutschland im Hinblick auf KI aufgestellt? Sind die neuen Technologien demokratiegefährdend?

Sogar Falk Borgmann fällt es aktuell schwer, den Überblick zu behalten: „Es kommt nicht nur Laien so vor, auch aus Expertensicht erleben wir einen extremen Boom. Die Innovationskraft, die das Thema KI derzeit hat, ist unglaublich.“ Borgmann ist Head of Consulting beim IT-Unternehmen Deepshore, das im Bereich KI-basierter Forschung und Entwicklung tätig ist. Routiniert erklärte er dem Publikum zum Auftakt des ESB Wirtschaftsforums die Grundzüge generativer KI, wie sie zum Beispiel bei ChatGPT eingesetzt wird.

Ihm zur Seite saß die zweite Rednerin des Abends, die sich ebenfalls bestens mit Künstlicher Intelligenz auskennt. Rebecca C. Reisch ist Geschäftsführerin des Tübinger Cyber Valley, Europas größtem Forschungskonsortium im Bereich Künstlicher Intelligenz. In Baden-Württemberg sei man im Vergleich zu anderen Bundesländern bereits sehr gut aufgestellt, so Reisch. Das sei jedoch kein Grund, sich auszuruhen: „In Deutschland sprechen wir von „Risikokapital“, wenn wir Geld in neue Themen stecken. Das hat direkt einen negativen Unterton. Zudem sind wir immer noch sehr undigital, während weltweit große Unternehmen gerade bahnbrechende Forschung machen. Wir müssen uns in diesem Bereich dringend öffnen.“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretär Michael Theurer pflichtete ihr bei: „Wir führen gerade eine sehr risikoorientierte Diskussion. Dabei zeichnet sich in vielen Bereichen ab, dass es ohne KI künftig gar nicht mehr geht.“ Für die Regulierung Künstlicher Intelligenz sprach sich Theurer für einen internationalen Verhaltenskodex aus.

Im Fokus der Diskussion stand immer wieder vor allem eine Frage: Welche Auswirkungen hat Künstliche Intelligenz auf den Arbeitsmarkt? Kerstin Wagner, Executive VP Talent Acquisition bei der Deutschen Bahn, betrachtet dieses Thema vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels: „Wir arbeiten heute bereits datenbasiert, um die Bewerbenden gezielter ansprechen zu können. Gleichzeitig denken wir in die Zukunft, denn wir müssen wissen, welche Qualifikationen unser Team künftig braucht.“ Um dies herauszufinden, stellt die Deutsche Bahn Prognosen an, wie sich die Berufsbilder des Unternehmens in den kommenden Jahren entwickeln werden und welche Rolle Technologie dabei spielt. „Uns ist noch kein Beruf untergekommen, der komplett durch KI ersetzbar ist. Wir merken aber, dass sich viele Tätigkeiten deutlich verändern werden“, so Wagner.

Auch Dr. Hermann Gartner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt und Bildungsforschung, sieht in Künstlicher Intelligenz nicht den Untergang der Arbeitswelt: „Wir haben aktuell in manchen Bereichen nahezu Vollbeschäftigung und das ist erst einmal eine gute Nachricht. In der Vergangenheit ist schon oft prognostiziert worden, dass die Technologie uns irgendwann alle ersetzen wird. Bislang ist dieses Horrorszenario noch nicht eingetreten. Insbesondere hoch qualifizierte Menschen werden trotz KI gefragt bleiben.“

Welche Qualifikationen braucht man, um in der (Arbeits-)Welt Seite an Seite mit Künstlicher Intelligenz zu bestehen? Die Expertinnen und Experten des ESB Wirtschaftsforums sahen Neugier, den Wunsch zu Lernen, Veränderungsbereitschaft und Medienkompetenz als Schlüsselfaktoren. Vor allem letztere sei entscheidend, damit Künstliche Intelligenz nicht demokratiegefährdend werde. Dass man diesem Risiko wachsam begegnen müsse, darin waren sich die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer einig. Trotzdem, so Michael Theurer zum Abschluss einer spannenden Diskussion: „Wir können uns vor dem Thema KI nicht wegducken, wir können es nicht wegregulieren. Wir müssen uns aktiv einschalten, mit allen Bedenken, die wir haben.“

Chat Icon Chat Icon